Wann werde ich wieder wacher?
Wie schwer es ist, in einem Umfeld voller Traurigkeit und tiefer Dunkelheit zu leben, ist für mich fast nicht vorstellbar. Mir erzählen Menschen oft von ihren Problemen und Sorgen. Sie sprechen von ihrer eigenen großen Last, die sie zu erdrücken droht, fragen um Hilfe und Rat. Dann fangen sie solche Sätze an: „Ich müsste ja,…“ oder „Ich hätte ja,…“ oder einfach „Ich weiß nicht mehr weiter, wie ich … schaffen soll.“
Wie ich glaube, ihnen am meisten helfen zu können? – Durch Zuhören. Wer Momo von Michael Ende gelesen, gehört oder gesehen hat, der weiß von der magischen heilenden Kraft, die durchs Zuhören gelingen kann. Es scheint garnicht so leicht zu sein ruhig zu werden, den anderen ausreden zu lassen und nur zuzuhören. Vielleicht ist diese Fähigkeit genau das, was wir in dieser pluralistischer globaler werdenden Welt unbedingt mehr benötigen.
Wir verlieren uns in unseren eigenen Unsicherheiten. Und die Unsicherheiten überrollen uns stetig. Wir können kaum sichere Entscheidungen treffen, ohne einen leisen Zweifel zu verspüren, mag er noch so winzig sein.
Wo ist also unser Urvertrauen hin? Das Vertrauen darin, dass alles, egal wie wir uns entscheiden, wir unseren eigenen Weg im Leben finden werden. Wer also nicht geerdet ist, wird es schwierig finden, seinen eigenen Sinn im Leben zu finden. Er wird sich in einer Welt voller eintöniger, monotoner, alltagstickenden Situationen wiederfinden. Hier in solch einer Umwelt wird man immer müder, braucht Schlaf und Erholung. Seiner eigenen Erschöpfung trotzend weiterschuftend.
Verschlafen wir unser Leben?
„Der Tod ist der große Bruder des Schlafes“, heißt es bekanntlich. Die Gefahr besteht, dass einer sein Leben verschläft. Ohne Sinn ablebt. Und das kann unmöglich Zweck des Menschen sein. Früher hatte man viele Träume und konnte nach einem streben. Und heute weiß man eigentlich garnicht welchen Traum man träumen soll. – Ob man ihn erreicht, steht auf einem anderen Papier.
Die Schule vermittelt ein Streben nach guter Leistung, am besten universal bewertbar. Das Leben vermittelt mir aber ein Streben nach Sinn. Ob sich die erzwungene Leistung und der Sinn des Lebens berühren? In irgendeiner Weise vielleicht. Aber der tiefere Sinn des Lebens besteht doch nicht in erzwungener Leistung? Die „leichten“ Freuden des Lebens sind nicht unbedingt abhängig von einer „schweren“ Leistung.
Das Zuhören in Gesprächen bedarf hingegen einer „leichten“ Leistung und erfüllt mich am Ende des Tages mit mehr „leichten Freuden“, man konnte schließlich evetuell helfen.
Ein Spaziergang draußen, ein Blick in die Sterne oder ein stiller Ort zu Meditation bieten einen Mehrwert zu Sinnschaffung. Denn es scheinen diese zu sein, die ein Leben lebenswert machen, durch die das Leben an Sinn gewinnt. Und dann urplötzlich verschläft man sein Leben nicht mehr ganz so. Man nimmt die Dinge bewusster wahr.
Und ich, ich werde dadurch zumindest etwas wacher.
Matthias Budesheim